krakau
9.10.05
  Kwiatonowice
Ich schreibe mit geschwellter Brust. Mit gestelzten Wörtern. In Kwiatonowice befinden wir uns über dem Herbstnebel. Hochtrabende Gedanken. Hier bin ich näher am Himmel als in meinem Krakauer Dachzimmer. Näher der Sonne als irgendwo auf der Welt.

Ich kam vorgestern, nachdem ich bei Frau Krakowska zu Mittag gegessen hatte (fürstlich: Fisch mit grünen Nudeln in Form von Herbstblättern), mit Stasiuk hier an. Und werde morgen, dessen bin ich mir ganz sicher, mit Malicki zurückkehren. Natürlich mit den Büchern dieser beiden Herren. Malicki schreibt so, wie ich nicht darf – nach Meinung meiner gestrengen Korrektoren Maria K. aus Schöneberg in Berlin. Ein Beispiel. „Dziwny naród, ci gruźlicy. Mówiłam. Czarodziejska góra. Dziewczyny. Pobudliwe. Nad. Tak. Był też radiowęzeł. ...” (s. 115 – in meiner Übersetzung: „Ein seltsames Volk, diese Tuberkulösen. Wie gesagt. Zauberberg. Mädchen. Empfindlich. Über. Ja. Es gab dort auch eine Drahtfunkzentrale ...”). Oder: „Byłem biało-czerwony. Mały Polak. Usiany bąblami. Tak. Wiem. Opowiadał tę historię dr Flisikowski, ilekroć nas odwiedzał. ...” (s. 62 – dito: „Ich war weiß-rot. Ein kleiner Pole. Übersät von Bläschen. Ja. Ich weiß. Diese Geschichte erzählte Dr. Flisikowski jedesmal, wenn er uns besuchte. …“ ) Und: „Wszedł pod stół i wydłubał. Tak. Wtedy. Stąd spirytus. ...” (s. 86 – dito: „Er kroch unter den Tisch und klaubte etwas hervor. Ja. Damals. Daher der Spiritus. ...”). So genannte Einwortsätze. Oder, einfacher ausgedrückt, übermäßiger Gebrauch von Punkten. Schreiben mit Hilfe von Interpunktionen.

„Wenn dir das jemand zu normalen Sätzen zusammenfügt, dann schreibst du ein durchaus schönes Polnisch”, seufzte die Berliner Maria und ließ alle Punkte, Kommas, Gedankenstriche, Ausrufezeichen usw. stehen.

Kasper will Pilze sammeln gehen. Wir fahren in das Land der Lemken. Dort verabschiedet sich mein Mobiltelefon. Kasper versucht aus dem Wald mit mir Kontakt aufzunehmen. Ich stehe vor der Holzkirche in Kwiatoń. Sie riecht wunderbar in der Sonntagssonne. Wie still es hier ist. Denke ich. Während Magda erfährt, dass sie aus verschiedenen Gründen geschlossen sei (Renovierung, Diebstähle, der Priester hält gerade eine Heilige Messe im Nachbardorf ab, Gerüste usw.). Und Kasper das Signal empfängt „kein Anschluss unter dieser Nummer”.

Was bedeutet das, dass wir uns über dem Herbstnebel befinden? Wir ertrinken in den Farben des Waldes. Im Glanz der Sonne. Des Himmels. Des Autodaches. Wir leben in einer beweglichen Welt. Alles ist hier. Schreibe ich mit geschwellter Brust.
 
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