krakau
25.11.05
  Im Auto
Den ganzen gestrigen Tag verbrachte ich im Auto. So kommt es mir heute vor. Und das ist ungesund. So die Zeit totzuschlagen. Im Auto. So den Raum zu durchschneiden. Im Auto. So zu mutmaßen. Hinterher. Nach einer schlaflosen Nacht.
Das Gedächtnis führt mich nach wie vor in die Irre. Es hat sich auch im Auto breit gemacht. Fährt mit. Wie der verunglückte Lastwagen auf einer verschneiten Nebenstraße. Wie das vergessene Buch im Rucksack. Wie der plastikverkorkte trockene Rotwein im Kofferraum.

Diesmal verreiste ich mit Kuczok (und werde, was ich noch nicht weiß, mit Nahacz zurückkehren). Der bereits bekannte Kunstgriff (es geht hier nicht um einen Menschen, sondern um das Werk eines Schriftstellers). Aber im Auto auf dem Weg nach Gorlice griff ich nicht ein einziges Mal nach dem Buch. Das Auto liebt lesende Passagiere nicht. Der Fahrer liebt Gespräche. Vor allem, wenn er eine Frau ist. Kuczok (Opowieści przebrane – Auserlesene Erzählungen) blätterte ich erst im Bett durch. Er bekam mir nicht. Weder dem Hals. Noch den Ohren. Die Augen fielen mir zu. Ich mag kein déjà vu. Weder in Gedanken. Noch unter den Fingerspitzen. Wieder Schläge. Wieder Miststück. Wieder Peitsche. Schreie. Tränen. Und Schmerz. Bis in den frühen Morgen.

Und noch immer bin ich im Auto. In einer winzigen Blechumhüllung. Die absolut keine Farben in ihr Inneres dringen lässt. Die Heizung hingegen steht auf Max. Alle Wege im Leben sind nummeriert. Und hängen wie riesige grüne Schilder im Wind. Schwanken über den lauten Autobahnen. Es gibt keinen Notausgang. Noch einen Fluchtweg. Weder einen zufälligen. Noch markierten. Aus der Tunnelfahrt. Aus der Düsternis eines frühen Novemberabends. Nicht einmal vorwärts. Durch die Nacht. Auch der Rückwärtsgang. Hilft nicht weiter. Und führt nur nirgendwohin. Der gestrige Tag fährt Auto.
 
Comments: Kommentar veröffentlichen

<< Home

ARCHIVES
Oktober 2005 / November 2005 / Dezember 2005 / Januar 2006 / Februar 2006 / März 2006 /


Powered by Blogger