krakau
16.3.06
  Die Reise meiner Pinguine
Meine Pinguine, Frau Polka und Herr Tango, sind heute mit Hildegard in einer orangenfarbenen easyjet-Maschine nach Berlin geflogen.

Dies ist natürlich ein Feiertag mit Tränen in den Augen. Der Abschied verlief unprätentiös. Polka und Tango rutschten tapfer durch die Durchleuchtungsanlage für Handgepäck. Polka und Tango sind kein Handgepäck. Polka und Tango sind ordentliche Fluggäste. Durchleuchtet müssen sie trotzdem werden, wie jeder andere Passagier mit Übergewicht. Denn die dicken Bäuche könnten mit Rauschgift oder Sprengstoff gefüllt sein. Polka und Tango sprangen auf der anderen Seite behende vom schwarzen Band, ehe noch ein Vertreter des Bodenpersonals sie packen und ausfragen konnte. Was sie denn zum Frühstück zu sich genommen hätten. Was so fest unter ihren Flügeln klemmte. Von wem Polka die Korallenkette am Hals geschenkt bekommen habe. Und so weiter. Und so fort. Sie warteten stumm in der Ecke auf Hildegard, welche Schuhe, Gürtel und Schal ausziehen musste. Ganz zu schweigen von Mütze, Tasche und Schafpelz. Die Ohrenklappenwintermütze aus Schafwolle ist auch kein Handgepäck. Trotzdem muss sie durch den Schlund der alles von innen sehen wollenden Apparatur.

Ich wartete, bis sie alle mit ihren Handschuhen auf der anderen Seite angelangt waren. Und drehte mich dann um. Natürlich mit Tränen in den Augen. Ich habe keinen Zutritt zu jener anderen, durchsichtigen und absolut sicheren Seite. Ich besitze weder keinen Bordingpass. Noch einen Reisepass. Ich bin keine Passagierin. Nur eine Person, die vom Abschied lebt. Und sich rechtzeitig umdreht. Ich bin kein Gepäckstück. Gehöre weder ins Handgepäckfach. Noch in den Frachtraum. Ich bin kein Fäustlingshandschuh. Am Arm. Noch ein Lederrucksack. Am Rücken. Noch eine unentbehrliche Laptoptastatur. Unter den Fingerspitzen. Ich drehte mich um ohne ein Wort des Abschieds. Niemand hätte meine stiefmütterlichen Sätze durchleuchten können. Keine Apparatur. Keine Maschinerie. Kein auf Messer, Gabeln, Schere geschulter Securitycheck. Meine Worte bleiben im Hals stecken. Zwischen der Handgepäckskontrolle und der Passkontrolle am internationalen Johannes Paul II Flughafen in Balice wirkt das Vakuum.

Ich kehrte mit dem Bus 192 in mein leeres Zimmer unter dem Dach zurück. Der Bus stank wie immer. Nach Mist. Landluft. Am Abend landete eine email auf meinem Bildschirm. Eine verfrühte Frühlingsfliege. Herr und Frau Pinguin sind angekommen. In Kleinmachnow. Bei Berlin. Unter der Kuppelkrone eines Bergahorns.
 
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